23. Sep. 2025

10 min

Der European Accessibility Act (EAA) – Wann ist digitale Barrierefreiheit Pflicht? 

Zusammenfassung

  • Was der EAA ist und ab wann Barrierefreiheit Pflicht wird
  • Wirksamkeit in Liechtenstein
  • Welche Produkte/Dienstleistungen betroffen sind – und welche Ausnahmen gelten
  • Wie EAA-Compliance praxisnah umsetzt werden kann (WCAG, Design & Development, Tests)
  • Welche Risiken bei Verstößen drohen und welche nächsten Schritte sinnvoll sind

Worum geht es beim European Accessibility Act (EAA)? 

Der European Accessibility Act (EAA), auf Deutsch auch «Europäischer Rechtsakt zur Barrierefreiheit» (Richtlinie (EU) 2019/882), soll in der EU gleiche Zugänglichkeit zu Produkten und Dienstleistungen fördern. Diese Initiative betrifft nicht nur öffentliche Services, sondern greift auch in den privaten Sektor ein. Seit dem 28. Juni 2025 sind wichtige Bestimmungen dieser Richtlinie in allen EU-Mitgliedstaaten verbindlich.

Der EAA zielt darauf ab, die Barrierefreiheit einer Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen zu verbessern, damit Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilhaben können.

Im Gegensatz zur Web Accessibility Directive (WAD), die sich auf öffentliche Webseiten konzentriert, umfasst der EAA auch private Unternehmen und eine breitere Palette von digitalen Produkten. 

Es geht darum, digitale und physische Barrieren abzubauen und sicherzustellen, dass möglichst viele Menschen, unabhängig von ihren körperlichen oder kognitiven Fähigkeiten, Produkte und Dienstleistungen nutzen können.

Ziel ist es, ein harmonisiertes Regelwerk innerhalb der EU zu schaffen, das Unternehmen, öffentlich und privat, dazu verpflichtet, ihre Angebote zugänglicher zu gestalten. Die Richtlinie legt dabei spezifische technische und funktionale Anforderungen fest.

Wirksamkeit in Liechtenstein

EU-Richtlinien werden für Liechtenstein verbindlich, wenn sie als EWR-relevant eingestuft und ins EWR-Abkommen übernommen werden. Der European Accessibility Act (EAA) gilt als EWR-relevant und befindet sich im Übernahmeprozess. Sobald der Gemeinsame EWR-Ausschuss die Richtlinie übernommen hat, ist Liechtenstein verpflichtet, sie in nationales Recht umzusetzen.

Liechtenstein hat bereits frühere EU-Vorgaben zur digitalen Barrierefreiheit in nationales Recht überführt. Insbesondere wurde die EU-Webseitenrichtlinie 2016/2102 (für barrierefreien Zugang zu Websites und mobilen Apps öffentlicher Stellen) nach Übernahme in das EWR-Abkommen durch Anpassungen des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGlG) umgesetzt. Diese Gesetzesänderungen traten zum 1. April 2024 in Kraft. Sie gelten bislang aber vor allem für öffentliche Stellen.

Diese Information ist nicht als verbindliche Rechtsberatung zu sehen, und muss im Einzelfall geprüft werden.

Geltungsbereich: Welche Software ist betroffen?

Der European Accessibility Act (EAA), auf Deutsch auch «Europäischer Rechtsakt zur Barrierefreiheit» (Richtlinie (EU) 2019/882), soll in der EU gleiche Zugänglichkeit zu Produkten und Dienstleistungen fördern. Diese Initiative betrifft nicht nur öffentliche Services, sondern greift auch in den privaten Sektor ein. Seit dem 28. Juni 2025 sind wichtige Bestimmungen dieser Richtlinie in allen EU-Mitgliedstaaten verbindlich.

Der EAA zielt darauf ab, die Barrierefreiheit einer Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen zu verbessern, damit Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilhaben können.

Im Gegensatz zur Web Accessibility Directive (WAD), die sich auf öffentliche Webseiten konzentriert, umfasst der EAA auch private Unternehmen und eine breitere Palette von digitalen Produkten.

Es geht darum, digitale und physische Barrieren abzubauen und sicherzustellen, dass möglichst viele Menschen, unabhängig von ihren körperlichen oder kognitiven Fähigkeiten, Produkte und Dienstleistungen nutzen können.

Ziel ist es, ein harmonisiertes Regelwerk innerhalb der EU zu schaffen, das Unternehmen, öffentlich und privat, dazu verpflichtet, ihre Angebote zugänglicher zu gestalten. Die Richtlinie legt dabei spezifische technische und funktionale Anforderungen fest.

Aus Entwicklersicht: Worauf müssen wir für EAA Compliance achten?

Der EAA selbst definiert funktionale Barrierefreiheitsanforderungen (z. B. Informationen müssen über mehr als einen Sinneskanal wahrnehmbar sein). Wie diese technisch umgesetzt werden, wird oft durch harmonisierte Normen konkretisiert. In der Praxis orientiert man sich hier stark an den international anerkannten Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), aktuell meist in der Version 2.1 oder 2.2, Konformitätsstufe AA.

Design and Development, a match made in heaven

Barrierefreiheit beginnt für uns mit Design: Durch Designsysteme sichern wir die Erfüllung relevanter Accessibility-Anforderungen, z.B. konsistente Kontraste, klare Interaktionen und eine robuste Informationsarchitektur. Durch die gemeinsame Nutzung dieser Designsysteme verankern unsere interdisziplinären Teams aus Design, Entwicklung und Test relevante Anforderungen nahtlos im gesamten Prozess.

Aus technischer Perspektive gibt es einige zentrale Aspekte, die beim Entwickeln von barrierefreien Anwendungen berücksichtigt werden sollten:

Semantisches Markup und ARIA:
Wir verwenden korrekte HTML-Elemente und setzen ARIA-Rollen sowie Attribute ein, um Screenreadern und assistiven Technologien die Navigation und Interpretation der Inhalte zu erleichtern.


Interaktive Zustände und Tastaturnavigation:

Alle interaktiven Elemente (Buttons, Links, Formulare etc.) müssen vollständig per Tastatur bedienbar sein. Wir heben alle interaktiven Zustände dieser Elemente hervor (hover/focus/active/disabled). Wir achten darauf, dass keine kritischen Inhalte nur mittels Maus zugänglich sind.


Farbkontraste und visuelle Hinweise:

Die Einhaltung von Mindestkontrastverhältnissen (basierend auf Richtlinien wie WCAG 2.1 AA) ist zentral, um Inhalte auch für Personen mit eingeschränktem Farbsehen lesbar zu machen.

Responsives und flexibles Design:
Unsere Anwendungen sollten auf unterschiedlichen Geräten und Bildschirmauflösungen gleichermassen gut bedienbar sein.


Formulare und Eingabefelder:

Diese sollten mit klaren Labels, Hilfstexten und Validierungsroutinen versehen sein, damit Benutzer – auch die mit kognitiven Einschränkungen – Fehler leicht erkennen und beheben können.


Medieninhalte:

Videos und Audiodateien sind mit Untertiteln, Transkripten oder Alternativbeschreibungen zu versehen.

Dinge, auf die wir speziell in der Designphase achten:

Informationsarchitektur und visuelle Hierarchie:
Klare Seitenstruktur mit sinnvoller H1–H6-Hierarchie, eindeutige Seitentitel und konsistente Landmarken (Header, Main, Nav, Footer)


Kontraste:

Tokens für Farben und Schriften mit dokumentierten Mindestkontrasten (WCAG 2.1 AA), View-Modi für hell/dunkel, normalen/grossen Text.


Zielgrössen und Abstände:

Touch-Ziele sind mind. 44×44 px und besitzen ausreichende Klickflächen. Grosszügige Spacing-Regeln vermeiden Fehleingaben.

Mikrocopy und Linktexte:
Interaktive Elemente verfügen über klare, aktive Sprache. Linktexte sind eindeutig und beschreiben das Ziel.


Zustände von Ansichten und Komponenten:

Lade-, Fehler- und Empty-States sind definiert.

Viele moderne Frontend-Frameworks und Design Tools bieten bereits integrierte Unterstützung für Accessibility. Die Wahl entsprechender Frameworks und Tools kann somit einen grossen Teil der Herausforderungen abmildern.

Testen auf Barrierefreiheit

Die Überprüfung der Barrierefreiheit ist ein entscheidender Schritt, um EAA-konforme Software zu liefern.

Automatisierte Testtools
Tools wie axe DevTools (Browser-Erweiterung, CLI), Lighthouse (in Chrome DevTools integriert), WAVE (Browser-Erweiterung) helfen uns, automatisiert potenzielle Barrieren zu identifizieren. Diese Tools scannen den Code und liefern Hinweise zu möglichen Fehlerquellen.

Manuelle Tests
Neben automatisierten Prüfungen sollten auch manuelle Tests – z. B. durch Nutzung von Screenreadern oder alleiniger Tastaturnavigation – durchgeführt werden.

Integrierte Tests im CI/CD-Prozess
Es empfiehlt sich, Barrierefreiheitstests in unseren Entwicklungs- und Deploymentprozessen (z. B. Linting, Unit- oder Integrationstests) fest zu verankern.

Checklisten
WCAG-Checklisten durchgehen

Feedback von Endbenutzern
Das Einbinden von Nutzern mit verschiedenen Beeinträchtigungen kann uns dabei helfen, echte User-Experience-Probleme aufzudecken, die eventuell bei automatisierten Tests nicht erfasst werden.

Accessibility Audits
Regelmässige Audits durch ein Internes Team, sowie auch externe Audits von unabhängigen Auditoren.

Deadline und Konsequenzen

Stichtag war der 28. Juni 2025. Produkte und Dienstleistungen, die nach diesem Datum auf den Markt kommen und in den Geltungsbereich fallen, müssen die Anforderungen erfüllen. Für bereits im Umlauf befindliche Dienstleistungen gibt es Übergangsfristen.

Bei Nichteinhaltung drohen den Anbietern digitaler Dienstleistungen:

  • Massnahmen durch Marktüberwachungsbehörden (Aufforderung zur Korrektur, Rückruf, Bussgelder)

  • Reputationsschaden

  • Ausschluss von bestimmten Märkten oder Ausschreibungen

Fazit

Der EAA ist eine wichtige Entwicklung, die wir nicht ignorieren sollten.
Auch wenn eine digitale Dienstleistung nicht unter den Geltungsbereich fällt, bietet die Richtlinie einen sinnvollen Rahmen, um Barrierefreiheit dauerhaft zu integrieren – nicht nur, um vorbereitet zu sein, sondern auch, um Nutzenden bessere, inklusivere und nutzerfreundlichere Software anzubieten.  

Rene Stesl

Software Engineering

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